Erzbischof Eduard Profittlich SJ (1890–1942)

Am 22. Februar 2022, dem Fest der Kathedra Petri, dachte das Priesterseminar in einer hl. Messe an den 80. Todestag eines Mannes, der unser Haus mit einem fernen Punkt am äußersten Ende Europas verbindet. Eduard Profittlich ist in Trier immer noch wenig bekannt, in Estland aber war er der erste Bischof seit der Reformationszeit und ist jetzt auf dem Weg dahin, der erste offiziell kanonisierte Selige der kleinen katholischen Kirche in Estland zu werden. Vier Orte im Bistum Trier sind mit seinem Namen verbunden: In Birresdorf wurde er am 11. September 1890 als Sohn einfacher Bauern geboren. Vorbereitet durch seinen Pfarrer Lorenz Buhr, verbrachte er in Ahrweiler und Linz seine Gymnasialstudien mit dem Abschluß der Reifeprüfung 1912. Welche Opfer das für die Familie bedeutete, kann man sich leicht vorstellen. Im selben Jahr trat er in das Trierer Priesterseminar ein, verließ es aber schon im nächsten Jahr wieder, um, seinem vorher schon gehegten Wunsch folgend, in das Noviziat der Gesellschaft Jesu einzutreten. 1916 führte ihn sein Ausbildungsweg noch einmal kurz hierher zum Empfang der Subdiakonatsweihe am 4. Januar im Trierer Dom durch den Missionsbischof Heinrich Döring SJ.

Dem Empfang der Priesterweihe 1922 und dem Abschluß des Theologiestudiums folgten anspruchsvolle Spezialstudien in Polen, die 1923/24 mit dem Doktorat in Philosophie und Theologie endeten. Weil Eduard Profittlich also gut Polnisch konnte und Seelsorgserfahrungen in Polen hatte, war er ein geeigneter Kandidat zum Einsatz in Estland, wo bis dahin die meisten Katholiken polnischer Herkunft waren. Er wurde 1930 Pfarrer der Peter- und Paul-Pfarrei in Tallinn und ein Jahr später bereits Apostolischer Administrator für Estland, das erst 1918 seine staatliche Unabhängigkeit erlangt hatte. Seelsorge bedeutete damals Mission und Pionierarbeit (von etwa 1,1 Mio. Einwohnern waren nur 2.500 Katholiken). Dabei bewährten sich Profittlichs Bildung – er konnte Religionsunterricht in fünf Sprachen halten – und seine Bodenständigkeit, die ihm einen realistischen Blick für die Bedürfnisse der Menschen erlaubte. Seine Arbeit war außerordentlich erfolgreich. 1936 wurde der Status der estnischen Kirche dadurch gefestigt, daß Profittlich zum residierenden Titularerzbischof ernannt und am 27. Dezember desselben Jahres in Tallinn zum Bischof geweiht wurde. Das erste Pontifikalamt in seiner Heimatgemeinde, das Erzbischof Eduard am 16. Mai 1937 in Leimersdorf feiern durfte, war sicher das größte Freudenfest, das dieser Ort je erlebt hat.

Spätestens mit dem Beginn des 2. Weltkriegs 1939 verdüsterten sich die Aussichten. Durch den Hitler-Stalin-Pakt wurde Estland zur leichten Beute der angrenzenden Sowjetunion, deren Truppen das Land im Sommer 1940 annektierten. Obwohl Profittlich 1935 estnischer Staatsbürger geworden war, hätte er dank seiner deutschen Staatsangehörigkeit immer noch die Möglichkeit zur Ausreise gehabt. Er selbst zögerte und erbat sich im November 1940 Rat vom Heiligen Stuhl. Papst Pius XII. ließ ausrichten, der Erzbischof habe die freie Wahl, das im Herrn Bessere zu tun. Die Verfolgung verschärfte sich danach dramatisch. So schrieb Profittlich am 14. Januar 1941 erneut an den Papst, er sei, auch aufgrund des Rats einiger vertrauter Menschen, geneigt, nach Deutschland zurückzukehren, aber genauso bereit, in Estland zu bleiben, wenn der Heilige Vater das wünsche. Dieser antwortete ähnlich wie zuvor. Profittlich verstand das als Ermunterung zum Bleiben. So teilte er dem Papst seinen entsprechenden Beschluß umgehend am 10. März 1941 mit. Schon am 8. Februar hatte er den Geschwistern und Verwandten in Deutschland in einem Brief, der erst nach Jahren sein Ziel erreichte, geschrieben: „… daß es Gottes Wille sei, daß ich hier bleibe. Den Ausschlag gab dann ein Telegramm von Rom, aus dem ich erkannte, daß dieser Entschluß auch dem Wunsche des hl. Vaters entspreche. […] Trotzdem also menschlich gesprochen die Zukunft nicht gerade sehr angenehm sein wird, habe ich doch den Entschluß gefaßt, hier zu bleiben. Es geziemt sich ja wohl, daß der Hirte bei seiner Herde bleibt und mit ihr Freude und Leid gemeinsam trägt. Und ich muß sagen, daß der Entschluß zwar einige Wochen Vorbereitung kostete, ich ihn dann aber nicht mit Furcht und Angst gefaßt habe, sondern sogar mit großer Freude. […] Und mein Leben und wenn es sein soll mein Sterben, wird ein Leben und Sterben für Christus sein. Und das ist so überaus schön.“[1]

Die weltpolitische Katastrophe, vor der sich das alles abspielte, erreichte ihren Höhepunkt mit dem Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Schon fünf Tage später, am 27. Juni 1941, wurde Erzbischof Profittlich in dem kleinen, ihm noch verbliebenen Zimmer vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und in ein Gefängnis in Kirow im Ural (1.750 km weit entfernt) verschleppt. Dort wurde er gefoltert und mißhandelt und schließlich wegen willkürlicher und haltloser Anschuldigungen zum Tode verurteilt. Eine Berufung des Angeklagten wurde am 16. Januar 1942 vom Obersten Gericht der Sowjetunion abgelehnt. Noch bevor das Urteil vollstreckt werden konnte, starb Profittlich am 22. Februar im Gefängnis von Kirow an Entkräftung. Ort, Zeit und Umstände seines Todes wurden erst 1990 im Zuge der wiedererlangten Unabhängigkeit der Republik Estland bekannt und Eduard Profittlich rehabilitiert. Nach und nach verbreitete sich seine Verehrung. Inzwischen ist er für die kleine estnische katholische Gemeinde, aber auch darüber hinaus, eine große Identifikationsfigur.

2002 hat die Russische Bischofskonferenz, unter deren Dach die Administratur Estland angesiedelt ist, die nötigen Schritte zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens auf den Weg gebracht, das von Profittlichs Heimatgemeinde Leimersdorf mit einem namhaften Geldbetrag und natürlich auch ideell unterstützt wurde.

Das Trierer Priesterseminar hat Profittlich nur wenige Monate beheimatet und wir wissen nicht, welche Impulse er von hier mitgenommen hat. Neben den Märtyrern: unserem zweiten Patron Franz Joseph Pey († 1792), dem Ordensgründer Johannes-Martin Moyë († 1793) und den von den Nationalsozialisten ermordeten Priestern, sowie den Zeugen der Nächstenliebe Friedrich Spee († 1635) und Wilhelm Eberschweiler († 1921), die in unserem Haus gelebt haben bzw. hier begraben sind, ist uns ein weiterer Christuszeuge geschenkt, der sich lohnt, in unserer Erinnerung wachgehalten zu werden. Er war einfacher Christ, der nicht eigenen Wünschen gefolgt ist, sondern dorthin ging, wo er nach Einsicht seiner Oberen gebraucht wurde. Auch sein Martyrium hat er sich nicht ausgesucht, sondern ganz menschlich wie Christus selbst am Ölberg gerungen, bis ihm der Wille des Vaters klar vor Augen stand.


[1]          Zit. nach Lambert Klinke: Erzbischof Eduard Profittlich und die katholische Kirche in Estland 1930–1942, Ulm 2000, Seite 98.